Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass der große Knall kommen würde. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Nur… Ich hätte nicht gedacht, dass es ausgerechnet in meiner vorletzten Praktikumswoche mitten in der Mittagspause auf dem Parkplatz des Redaktionsgeländes soweit sein würde. Auf einmal hatte jemand sämtliche Sicherungen in meinem Gehirn gezogen, die mich die vergangenen Monate in der Spur gehalten haben. Und der Damm, der all die ketzerischen Gedanken zurückgehalten hatte, war gebrochen und eine Flut an Zweifeln, Ängsten und Emotionen brach über mich herein.

Ich muss hier weg. Das bin ich nicht. Ich kann nicht mehr atmen. Das wollte ich nie werden. Was mache ich hier eigentlich? Ich will nicht BWL studieren. Ich gehöre hier nicht hin.

Es fällt mir immer noch wahnsinnig schwer, das Chaos in meinem Kopf in eine stringente Ordnung zu bringen. In diesem Moment wollte ich einfach nur weglaufen, schreien. Was ich bisher immer spaßhaft im Gespräch habe fallen lassen, wurde mir auf einmal auch emotional mit einer gnadenlosen Wucht war: Ich stand gerade vor den Trümmern meiner Träume. Der Weg, dem ich gerade folgte, führte mich geradewegs in die Leere. Eigentlich wollte ich niemals BWL studieren. Ich wollte gar nicht Karriere machen und auf irgendeiner hochrenommierten Schule meinen Abschluss machen, wenn ich dafür meine Ideale und meine Sehnsucht nach der weiten Welt aufgeben musste. Ich habe zwei Jahre meines Lebens verschwendet und jede Menge Geld für etwas, mit dem ich mich nicht identifizieren kann. Auf einmal bekam ich Angst: Ich wollte niemals zu den Menschen gehören, die ihren Job hassen und mit ihrem Leben kreuzunglücklich sind. Die ihr Leben lang den eingeschlagenen Wegen nachweinen, die sie aus Furcht nie gegangen sind. Die Angst schlug innerhalb von Sekunden in Panik um. Was sollte ich jetzt machen? Ich wollte einfach nur noch weg von hier. Das Studium und die Ausbildung an der Schule am liebsten sofort abbrechen und erst einmal ganz weit weglaufen, bis ich mir wieder klar über mich selbst und meine Ziele war. Aber nachdem meine Eltern so viel Geld in die Ausbildung investiert haben? Ich dachte, mir müsste das Herz zerspringen. Und ich? Ich tat in diesem Moment das Dümmste, was ich tun konnte. Noch ehe ich selbst Klarheit in diesen Strudel gebracht hatte, rief ich meine Mutter an. Und legte sofort wieder auf. „Ich muss nachdenken“, war meine Entschuldigung. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren war.wenn-sie-mehr-als-30-stunden-die-woche-zum-reinen-vergnuegen-im-internet-verbringen-sollten-sie-ihr-verhalten-ueberdenken

Ich weiß auch nicht, wie lange ich danach noch durch den Park gelaufen bin. Immer wieder tief durchgeatmet habe, um das rasende Gefühl in meinem Kopf, die Panik loszuwerden. Irgendwann habe ich angefangen, Vogelfedern zu sammeln. Einfach, dass ich mich auf etwas konzentrieren muss, was nichts mit den Gedanken zu tun hatte. Eine alte Frau, der ich dabei begegnet bin, hat mich wohlwollend angelächelt. „Sie wollen wohl damit für den Herbst basteln?“, hat sie mich gefragt. Ich musste an mich halten, um nicht zu antworten: „Nein, ich tue das, um nicht verrückt zu werden.“

Danach habe ich mir die Tränen getrocknet, bin zurück in die Redaktion gegangen. Und jetzt? Jetzt sitze ich hier, mit einem Scherbenhaufen in meinem Kopf und einem Lächeln auf den Lippen. Die anderen bloß nichts merken lassen, auch wenn ich fast schon Angst habe, dass mir der Wahnsinn ins Gesicht geschrieben steht.