„Wie heißt die Band? Einbrecher? Und ist der Herr mit dem Bart da der Sänger?“
Der Fotograf der Tageszeitung beim Eisbrecher-Konzert im Schlachthof in Wiesbaden

Lieber Fotograf von welchem Tageblatt auch immer,

wir sind auf dem letzten Eisbrecher-Konzerte ein wenig unsanft aneinander geraten. Du bist ziemlich spät zu uns Fotografen an diesem Abend gestoßen, bei der Unzucht warst du gar nicht erst dabei. Dich hat nur der Star des Abends interessiert. Nicht mal das. Eigentlich hat dich nur Alex Wesselsky interessiert – ich habe später im Fotografen-Graben einmal darauf geachtet, andere Musiker von Eisbrecher hast du gar nicht erst fotografiert. Für dich war die Band, die du im Schlachthof fotografiert hast, nur ein weiteres Motiv. Ein Auftrag, den du zu erfüllen hast. Tagespresse eben; ich weiß, wovon ich spreche.
An sich ist das alles auch in Ordnung, ich will dir deine Legitimation gar nicht absprechen.
Dann hast du mich gefragt, bei wem wir hier eigentlich sind. „Ist der Herr da hinten in der Ecke der Sänger?“, fragtest du. Ich dachte erst, dass das ein blöder Scherz sei. Bis du weitergesprochen hast: „Und wie heißt die Band? Einbrecher?“ Während die ersten Zeugen dieser skurrilen Situation bereits breit grinsten, konnte ich (mal wieder) nicht an mich halten.
Ich habe dir gesagt, dass ich selbst eigentlich Journalistin bin – auch für Tageszeitungen. Und dass ich persönlich der Ansicht bin, dass man sich vor einem Termin wenigstens informieren kann, wo man eigentlich hingeht. Du hast vermutlich nicht mit solch einer Antwort gerechnet. Du warst ein wenig patzig, als du antwortest: „Nein, kann man nicht.“ Und ich war genauso patzig, als ich dir erklärt habe, dass das in Zeiten des mobilen Internets eine Sache von fünf Minuten ist. Jedenfalls habe ich dich ganz schön vor den Kopf gestoßen in diesem Moment. Im Nachhinein denke ich, dass ich mir einfach auf die Zunge hätte beißen sollten, schließlich geht es mich gar nichts an, wie du arbeitest.

Du warst nicht mehr der Jüngste, vielleicht sechzig Jahre alt. Vielleicht tue ich dir Unrecht, aber ich hatte das Gefühl, dass das nicht wirklich deine Musik war. Es war relativ spät, als Eisbrecher angefangen hat zu spielen. Vielleicht hast du dir deinen Sonntagabend ganz anders vorgestellt, du hattest bestimmt keine Lust, dir dein Wochenende auf diese Art und Weise um die Ohren zu schlagen. Irgendwann hast du gesagt, dass es bereits der zwölfte Termin an diesem Tag gewesen sei. Ich verstehe das ja auch alles. Ich kann (zwar aus persönlichen Gründen für mich nicht nachvollziehbar, aber rational verständlich) verstehen, dass du erst kurz vor EISBRECHER zum Konzert gabst und die Vorband mit Missachtung gestraft hast. Und vielleicht war ich auch ein wenig sehr unfreundlich, als ich dich darauf hinwies, dass man sich meiner Meinung nach wenigstens kurz vor der Veranstaltung informiert, wen man da eigentlich ablichtet.

Trotzdem – und da bleibe ich Dickkopf – ich finde immer noch, dass ich Recht habe. Mittlerweile arbeite ich trotz meines jungen Alters seit sieben Jahren als Journalistin. Die größte Zeit davon habe ich für eine Lokalzeitung geschrieben. Ich will dir hier gar nicht vorrechnen, wie oft ich irgendwelche Veranstaltungen besucht habe, auf die ich irgendwas zwischen wenig und gar keine Lust hatte. Oder kannst du dem zwanzigjährigen Jubiläum eines katholischen Kindergartens irgendetwas Spannendes abgewinnen? Trotzdem, wenn ich eines in dieser Zeit gelernt habe, dann das, was ich heute „meine journalistische Erziehung“ nenne.
Wenn du für eine Lokalzeitung arbeitest, bleibst du nicht anonym. Die Leute, mit denen du zu tun hast, wissen, wer du bist und für wen du unterwegs bist. Und wenn du dich daneben benimmst, weißt du wiederum, auf wen dieses Verhalten zurückfallen wird. Aber darum geht es mir an dieser Stelle auch gar nicht.

Viel wichtiger ist es mir die Respektlosigkeit und die Überheblichkeit, die in deinen Worten mitschwang. Auch wenn du auf den Termin überhaupt keine Lust hast, müde bist oder niedergeschlagen – es ist ein Zeichen von Respekt gegenüber den anderen Kollegen wie auch dem auftretenden Künstler, das man weiß, wer er oder sie ist. So sehe ich das zumindest. Und genau das hat mich in diesem Moment so fuchsteufelswild gemacht, dass ich dich offen ausgelacht habe, als du fragtest, wie die Band eigentlich heißt.
Und just by the way: Die fünf Minuten, in denen du mit mir diskutiert hast, hättest du auch anders verbringen können. In dem du sie einfach dazu genutzt hättest, zu recherchieren, wo und bei wem du eigentlich bist.

Beste Grüße,
Nia